Die Technik des Klavierstimmens

Das Klavierstimmen scheint eine relativ monotone Tätigkeit zu sein. Denn es kommt ständig zur Wiederholung des folgenden Regelkreises:

  1. Feststellen des Ist-Standes = Ermitteln der Ist-Soll-Differenz
  2. Entsprechend der Ist-Soll-Differenz die Spannung der Saite verändern
  3. Erneut Feststellen des Ist-Standes = Ermitteln der Ist-Soll-Differenz

Dieser Regelkreis wird solange wiederholt, bis die Ist-Soll-Differenz Null ist. Dann geht es zum nächsten Ton bzw. zur nächsten Saite.

Traditionell findet das Überprüfen der Ist-Soll-Differenz durch das Gehör des Stimmers statt. Er überprüft mittels bestimmter Intervalle die Tonhöhe. Dazu muss der Stimmer gelernt haben, wie sich die einzelnen Intervalle Idealerweise anhören. Das heißt konkret, er muss wissen und hören, wie viel die einzelnen Intervalle im Falle unserer aktuellen Gleichtemperierten Stimmung schweben dürfen.

Obwohl es heute bereits qualitative hochwertige Frequenzmessgeräte gibt, behält das Stimmen nach Gehör aufgrund einer ganzen Reihe von Besonderheiten des Klaviers seine Bedeutung.

Zum Seitenanfang Wie kann man ein Klavier nach Gehör stimmen?

Klavierstimmen nach Gehör

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Die Wohltemperierten Stimmungen

Die fehlende Möglichkeit zum Wechsel der Tonarten empfand Johann Sebastian Bach als Einschränkung seines kreativen Potenzials. Daher war er offen und begeistert als er davon hörte, dass Andreas Werckmeister eine so genannte Wohltemperierte Stimmung gefunden hatte, mit der erstmalig an einem Tasteninstrument das durchgängig wohl klingende Spiel in allen Tonarten möglich wurde. Um die Bedeutung dieser Art zu stimmen hervorzuheben, schrieb Bach sein Werk, das Wohltemperierte Klavier.

Dieses Werk besteht aus 24 Stücken, jeweils eines in den 12 möglichen Dur- und Moll-Tonarten. Nur wer das Geheimnis der Wohltemperierten Stimmung kannte, konnte demnach das Gesamtwerk spielen. Die Stimmung wurde somit zu einem Code, zu einem Schlüssel, der den Zugang zu bestimmten Kompositionen öffnete.

Zum Thema Welches ist die aktuelle Stimmung?

Die aktuelle Stimmung

Die Wohltemperierten Stimmungen boten zwar bereits den Vorteil, dass man mit einer Stimmung in allen Tonarten spielen konnte. Aber es war eine ungleichstufige Stimmung. Das heißt, die einzelnen Tonarten besaßen einen eigenen Charakter. Beim Wechseln der Tonart innerhalb einer Komposition war der Unterschied zwischen den Tonarten zu groß. Dadurch wurde der nächste Entwicklungsschritt notwendig, nämlich die Entwicklung einer gleichstufigen Stimmung. Diese Gleichtemperierte Stimmung hat sich im 19. Jahrhundert durchgesetzt.

Bei der Einteilung der Halbtonschritte innerhalb einer Referenzoktave wird das so genannte Pythagoräische Komma gleichmäßig verteilt. Als sich die Gleichtemperierte Stimmung Mitte des 18. Jahrhunderts zu etablieren begann, war diese Gleichmäßigkeit nach Gehör nur schwer erreichbar. Denn bei den historischen Stimmungen gab es bislang nur relative anstelle exakter Angaben.

Zum Thema Mit der neuen Stimmung wurde die Stimmtechnik gefordert

Entwicklung der Technik des Stimmens nach Gehör

Die Musik war zurzeit von Pythagoras (570 bis 510 vor Christus) sehr stark von der Mathematik geprägt. Aus dieser Zeit stammt der Anspruch der Reinheit an die Musik. Dabei war es ausgerechnet Pythagoras, der einen kleinen Fehler in der Musik entdeckte, den man das Pythagoräische Komma nennt.

Um bei der Gleichtemperierten Stimmung das Pythagoräische Komma gleichmäßig verteilen zu können, mussten die Stimmer lernen, Schwebungen als Maß für diese Einteilung zu akzeptieren und zu hören. Denn die Gleichtemperierte Stimmung setzte sich erst durch, als sich die Stimmtechnik so weit entwickelt hatte, dass die Gleichtemperierte Stimmung reproduzierbar wurde. Das Problem der Stimmtechnik bestand darin, dass die bislang üblichen Stimmintervalle sowie eben das Kriterium der Reinheit nicht ausreichten, um die Gleichtemperierte Stimmung einstellen zu können. Erst als man neue Intervalle in die Stimmpraxis integrierte sowie gelernt hatte, welches Intervall wie stark oder schwach schweben muss, wurde das anspruchsvolle Ziel einer Stimmung erreicht, mit der ein freier Wechsel der Tonarten möglich wurde.

Zum Thema Ersetzt das Stimmgerät das Ohr?

Das Arbeiten mit einem Stimmgerät

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Stimmen mit dem Frequenzmessgerät

Der natürliche Ton eines Klaviers ist ein komplexer Ton bestehend aus dem Grundton sowie den Obertönen. Zu dieser spezifischen Mischung kommen sehr häufig noch Nebenschwebungen einzelner Saiten. Für den Stimmer ergibt sich daraus ein Problem. Denn beim Stimmen nach Gehör beurteilt der Stimmer heute die Schwebung zwischen zwei Saiten beziehungsweise Tönen als Kriterium für die Richtigkeit des Verhältnisses, in dem diese zueinander stehen. Wenn es beim Ermitteln der Ist-Soll-Differenz eine zusätzliche Schwebung in Form der Nebenschwebung einer einzelnen Saite gibt, dann ist es häufig schwierig bis unmöglich, die passende Schwebung hörend zu isolieren. Dabei kann ein Frequenzmessgerät helfen.

Zum Thema Was leistet das Gehör?

Leistung und Anforderungen an das menschliche Gehör

Der Umfang der menschlichen Stimme umfasst eineinhalb bis zweieinhalb Oktaven. Die Grundtonhöhe

  • des Mannes liegt im Durchschnitt bei 125 Hertz,
  • bei der Frau bei 250 Hertz und
  • bei Kindern bei 440 Hertz.

Der Frequenzbereich der menschlichen Stimme inklusive der Obertöne geht von 80 bis 12.000 Hertz. Unser Gehör kann in seiner besten Zeit den Frequenzbereich von 20 bis 20.000 Hertz wahrnehmen.

Der Frequenzbereich des Klaviers geht von 27,5 Hertz beim A2 bis zu 4186 Hertz beim c5. Damit sind jedoch nur die Frequenzen des Grundtons erfasst. Da der einzelne Ton mehrere Obertöne haben kann, kommen wir im Diskant spätestens in der höchsten Oktave in die Grenzbereiche unseres Gehörs. Das betrifft ebenso den Bass, nicht nur da wir hier in einen Bereich kommen, in dem unser Gehör ungeübt ist.

Zum Thema Wenn es dem Ohr zu viel wird

Hilfe in den Grenzbereichen des menschlichen Gehörs

Selbst zwischen guten Klavieren lassen sich im Bass erhebliche Unterschiede feststellen. Selten findet man im Bass einen wirklich guten Klang. Umso höher ist ein guter Bass demnach zu bewerten! Dass der Bass dann beim Stimmen schwer zu hören ist, erklärt sich durch die Machart der Saiten. Durch Umwickeln der Saiten wird deren Masse erhöht, um die Frequenz zu senken. Dabei entstehen häufig problematische Töne. In der untersten Oktave spricht man von so genannten Residualtönen. Bei diesen Tönen ist ein Oberton lauter als der Grundton, was zu Verfälschungen beim Hören führen kann.

Auch im Diskant stößt man je nach Qualität des Instruments circa ab f3 an die Grenzen des Gehörs. Zwar liegt man hier noch innerhalb unseres Hörbereichs. Aber durch die ansteigende Frequenz schweben die Überprüfungsintervalle so schnell, dass eine exakte Beurteilung ausschließlich nach Gehör erschwert ist. In beiden Fällen bietet ein Frequenzmessgerät zusätzliche Informationen.

Zum Thema Wissenswertes über die Instrumentenentwicklung

Beweis ausgezeichneter Handwerkskunst

Wie das Verfahren der Saitenherstellung zeigt, ist der Bass der kritische Bereich im Klavierbau. Das bestätigt ein Blick auf die geschichtliche Entwicklung des Tonumfangs vom Cembalo über das Hammerklavier zum Piano:

  • 1750: 5 Oktaven F1 bis f3
  • 1810: 6 Oktaven F1 bis f4
  • 1850: 7 Oktaven A2 bis a4
  • 1900: 8 Oktaven C2 bis c5 (Imperial von Bösendorfer in Zusammenarbeit mit Ferruccio Busoni)
  • Aktueller Standard: 7 1/4 Oktaven A2 bis c5

Da der Bass der Problembereich des Klavierhandwerks ist, kann man hier auch am meisten gewinnen. Die Entwicklung des Flügels Imperial von Bösendorfer um 1900 auf Anregung des Komponisten Busoni ist das Ergebnis außergewöhnlicher Handwerkskunst. Denn dieses Instrument besitzt den sagenhaften Tonumfang von 8 Oktaven vom extrem tiefen C2 bis zum mittlerweile standardisierten c5.

Ferruccio Busoni hat einige Transkriptionen von Werken Johann Sebastian Bachs angefertigt. Die Bearbeitung des spanischen Volkstanzes Chaconne in D-Moll (BWV 1004) von Busoni können Sie auf einem Imperial gespielt von der engagierten Pianistin, Frau Henriette Gärtner, hören. Anhand der hervorragend eingespielten Aufnahmen werden Sie feststellen, wie sich ein starker Bass positiv auf die Klangfülle der Mittellage auswirkt. Diese wunderbare CD trägt den Titel Kontraste.

Zum Thema Grenzen der Technik

Grenzen des Stimmgeräts

Wer sich nun alleine auf das Stimmgerät verlässt, der ist in Grenzfällen verlassen. Dabei sind die Grenzfälle am Klavier gar nicht selten. Denn die Kurve der Spreizung der Obertöne als Grundlage für eine harmonische Klavierstimmung ist abhängig

  • vom Modell,
  • von der jeweiligen vom Hersteller gewählten Mensur der Saiten sowie
  • von der Elastizitätskomponente des verwendeten Saitenmaterials.

Um die ideale Anpassung zu finden hilft in diesem Fall das Gehör zum Prüfen der Übereinstimmung der Intervalle.

Zum Thema Entwicklung einer zeitgemäßen Stimmtechnik

Die Hybrid-Stimmtechnik primaTEK©

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Definition der Hybrid-Stimmtechnik primaTEK©

Im Rahmen der Hybrid-Stimmtechnik kooperieren zwei scheinbar gegensätzliche Verfahren harmonisch:

  • Das Stimmen nach Gehör sowie
  • das Arbeiten mit einem Stimmgerät

haben beide für sich genommen Vor- und Nachteile, die sich jeweils im Miteinander ergänzen.

Zum Thema Über den herkömmlichen Weg auf neue Wege gelangen

Entstehung der Hybrid-Stimmtechnik primaTEK©

Da ich das Glück hatte, im Rahmen meiner Ausbildung zum Cembalo- und Klavierbauer das Stimmen nach Gehör zu lernen, konnte ich die Ergebnisse des Stimmgeräts auf ihre Korrektheit hin überprüfen. Dabei stellte ich fest, dass es je nach Modell und Alter des Instruments Abweichungen zwischen einer Geräte- und Gehörstimmung gibt. Aufgrund dieser Erfahrung bewahrte ich nicht nur mein Wissen und Können um das Stimmen nach Gehör, sondern entwickelte es weiter, um meine Stimmtechnik nicht nur durch die Möglichkeiten des Frequenzmessgeräts zu erweitern, sondern insgesamt zu verbessern.

Zum Thema Sich dem Vergleich stellen

Die Ergebnisse im Vergleich

Heute blicke ich zurück auf 20 Jahre Erfahrung ausschließlich im Gehörstimmen sowie mittlerweile mehr als 10 Jahre Erfahrung in der Hybrid-Stimmtechnik. Dabei stelle ich fest, dass meine Ergebnisse wesentlich besser geworden sind. Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Zum einen liegt es natürlich an meiner inzwischen wesentlich komplexeren Stimmtechnik. Denn ein Element der Hybrid-Stimmtechnik besteht in ständigen gegenseitigen Kontrollen der beiden Systeme des Gehörstimmens und des Gerätestimmens.
  • Zum anderen liegt es an der Routine, die ich mir in 10 Jahren unter industriellen Bedingungen erarbeitet habe.
  • Sowohl aufgrund der Routine sowie durch die komplexe Stimmtechnik, bei der die Informationsverarbeitung über 4 anstelle nur 2 Kanäle stattfindet, hat sich die Belastung des Stimmens stark reduziert. Die dadurch entstehenden freien Ressourcen öffnen den Blick und den Sinn für die Spielart eines ausdrucksvollen, da gefühlvollen Klavierspiels, sowie den harmonisierenden Pianoklang.
  • Wie uns die Neurologen von ihren neuen Einsichten aus der Hirnforschung berichten, ereignen sich zahlreiche wesentliche Entwicklungen quasi nebenbei. Da ich mit einem Klavierlager zusammen gearbeitet habe, gehörte es zur Standardleistung, ein Klavier nicht nur zu stimmen und technisch zu kontrollieren, sondern die Instrumente zusätzlich nach längerer Einlagerung höher zu stimmen. Aufgrund der Praxis von mindestens 18.000 Instrumenten verschiedener Hersteller und Herkunftsländer kann ich Ihnen heute als Mehr-Wert-Leistung anbieten, ein länger nicht gestimmtes Instrument an nur einem Termin höher und rein zu stimmen.

Hören Sie sich doch einfach selbst das Ergebnis anhand von Hörbeispielen an!

Zum Seitenanfang Hier finden Sie Antworten auf Ihre Fragen!